Bei der jüngsten Scharnitzer Gemeineratssitzung wurde fast drei Stunden lang heftig debattiert, wie man eine mögliche Gemeindeinsolvenz abwenden könne. Um weiteren Schaden von der Gemeinde abzuwenden, gab es aber schließlich fast einstimmige Beschlüsse, einen 300.000-Euro-Kredit aufzunehmen, den Kontokorrentkredit (145.000 Euro) zu verlängeren und die Rücklagen für Bergrettung und Porta Claudia in der Höhe von rund 200.000 Euro aufzulösen. Die Frage, wie man einen ausgeglichenen Haushalt im kommenden Jahr erstellen kann, blieb unbeantwortet.
Für die Scharnitzer war es eine Riesenverlockung, als man einen Umfahrungstunnel, einen neuen Fußballplatz und das Infozentrum beinahe zeitgleich offeriert bekam. Da man für die Großprojekte keinen detaillierten Finanz- und Liquiditätsplan erarbeitete, folgte nunmehr das „Böse Erwachen“.
Nach einer geschlossenen Sitzung waren Bgm. Blaha und einige Scharnitzer bei der Bezirkshauptmannschaft vorstellig geworden und legten der Aufsichtsbehörde die Fakten und Zahlen auf den Tisch. Der Fußballplatz samt Clubgebäude hatte insgesamt 2,8 Mio. Euro verschlungen. Vom Landeshauptmann mündlich zugesagtes Fördergeld wurde nur zum Teil überwiesen. Laut Blaha entstand so ein Schaden von 175.000 Euro. 600.000 Euro betrug letztlich der Gemeindeanteil. Eine Summe, die sich Scharnitz nicht leisten konnte.
Gemeindebuchhalter Christian Ihrenberger hatte das Zahlenwerk penibel zusammengefasst und kam zu einem Darlehensbedarf von 230.000 Euro, dem die Aufsichtsbehörde zugestimmt hatte, da man gleichzeitig die Auflösung aller Gemeinderücklagen vorgeschlagen hatte. GR Stefan Draxl: „Ich möchte mich bei der Opposition entschuldigen, dass ich die Beschlüsse zum Fußballplatz und zum Infozentrum mitgetragen habe. Im Nachhinein muss ich euch Recht geben, dass man eine Finanzierung erst dann gutheißen kann, wenn alle Zusagen schriftlich vorliegen!“
Auch beim Infocenter waren die Kosten höher als ursprünglich angenommen. Wenn alle ausständigen Förderungen gezahlt werden, bleibt ein zusätzlicher Finanzierungbedarf von 64.000 Euro, den man ebenfalls mit einem Darlehen decken will. GR Ing. Peter Reinpold rechnete vor, dass die Gemeinde damit innerhalb eines Jahres mehr als eine Mio. zusätzliche Schulden gemacht habe. GR Walter Lechthaler erinnerte daran, dass das Projekt in der Länd ursprünglich so angedacht war, dass die Gemeinde den Grund stelle und keinen Cent zahlen müsse. GR Reinpold: „Letztlich betrug der Eigenanteil 375.000 Euro. Niemand überlegte, woher dieses Geld kommt!“ GR Mag. Stefan Hainzer legte nach: „Darin eingerechnet ist noch keine Notheizung. Auch für den Anschluss an die Fernwärme der Fa. Sprenger werden wir einen Kredit brauchen!“ GR Gregor Glas regte an, das alte Zollhaus zu verkaufen. Bgm. Blaha meinte, die Kosten für die Heizung im kommenden Budget unterbringen zu können.
GR Lechthaler warb schließlich dafür, dass man den Kreditaufnahmen nur zustimmen solle, wenn sich die Gemeinde verpflichtet, die Rücklage für die Bergrettung so rasch als möglich zurückzuzahlen. Blaha: „Die Bergrettung braucht ein ordentliches Domizil. Wir haben aber die Rücklage nicht fahrlässig aufgelöst und sind alle der Meinung, dass wir das Geld so rasch als möglich wieder anlegen werden!“
Bergrettungs- und Überprüfungsausschussobmann Thomas Lehner konterte hingegen: „Wenn man sich unsere Kontostände genau ansieht, weiß man, dass in den kommenden Jahren kein Geld zurückgelegt werden kann. Die Bergrettung hat das Projekt vor dem Fußballplatz und vor dem Infozentrum eingebracht. Die Kameraden sind enttäuscht, welche Wertschätzung der Gemeinderat unserer Organisation entgegen bringt!“
Mit je einer wechselnden Gegenstimme bzw. Enthaltung wurde schließlich das gesamte Finanzkonstrukt zur Vermeidung der Zahlungsunfähigkeit genehmigt. 300.000 Euro Darlehen wurden bei der Hypo Tirol auf 15 Jahre aufgenommen, die beiden Rücklagen wurden aufgelöst und die Erhöhung des Wasserzinses auf 1,02 Euro pro Kubikmeter beschlossen. Diese war notwendig geworden, da Scharnitz im kommenden Jahr dringend in die Wasserversorgung investieren muss. GR Michael Ecker: „Unsere Zuleitung für das Trinkwasser aus Eppzirl ist zu schwach. Alle übrigen Quellen hängen nicht an der Gemeindeversorgung. Mit dem Hochbehälter können wir maximal einen Tag ohne Wasser aus Eppzirl überbrücken. Damit wir nicht plötzlich ohne Trinkwasser da stehen, müssen wir dringend eine zweite Zuleitung bis zum Fußballplatz legen und dazu brauchen wir die Landesförderungen!“
Verwunderung löste daher der Antrag der Forsttagsatzungskommission aus, die Waldumlage zu senken. GR Glas erklärte, dass man diese heuer um fast 100 Prozent erhöht habe und damit eigentlich die Kosten des Waldaufsehers abdecken hätte sollen. GR Lehner: „Optisch macht das kein gutes Bild, wenn eine Gemeinde, die beinahe pleite ist und die Vereinssubventionen nicht zahlen kann, auf Einnahmen verzichtet!“ Der Tagesordnungspunkt wurde genauso vertagt, wie der Antrag der Bundesforste, im sogenannten Pflanzgarten eine Wohnanlage mit 39 Einheiten zu errichten. Der Bauauschuss wurde beauftragt, mit der ÖBF zu verhandeln, das Projekt zu teilen und zeitverzögert zu errichten sowie einen Infrastrukturbeitrag zu leisten, um die Investitionen, die auf die Gemeinde zukämen, abzufedern. Bgm. Blaha wurde schließlich angehalten, den Vereinen in einem Schreiben mitzuteilen, dass sie heuer keine Subventionen erhalten werden.
Kein Ende in Sicht
Ein Kredit bewahrt Scharnitz kurzfristig vor der Pleite. Doch bereits Anfang nächsten Jahres sind Rechnungen fällig, deren Zahlungsziel verschoben wurde. Der Kontokorrentkredit wurde auf September verlängert. Wo man hinsieht, sind infrastrukturelle Investitionen (Kinderbetreuung, Wasserversorgung) nötig. Scharnitz stopft nur mit geliehenem Geld Löcher. Was die Gemeinde braucht, ist aber ein langfristiges Finanzierungskonzept und in dieses sind auch alle künftigen Ausgaben einzukalkulieren. Ansonsten dreht sich die Abwärtsspirale kontinuierlich weiter.